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PLATERO

Platero ist klein, behaart und weich, so weich, dass man meinen könnte, er sei aus Watte, ganz ohne Knochen. Nur die Jettspiegel seiner Augen sind hart wie zwei Skarabäen aus schwarzem Kristall.
Ich lasse ihn frei, und er geht zur Wiese, liebkost behaglich mit seinem Maul - und streift sie kaum - die rosaroten, himmelblauen und goldgelben Blümchen.
Ich rufe ihn sanft: „Platero?”, und er kommt zu mir mit einem kleinen, munteren Trab, der wie ein Lachen ist, ein heller Schellenklang.
Er frisst, was immer ich ihm gebe. Ihm schmecken die Mandarinen, die bernsteinfarbenen Muskatellertrauben, die dunkelvioletten Feigen mit ihren Kristalltröpfchen aus Honig ...
Er ist weich und zärtlich wie ein Kind, wie ein Mädchen ... , aber stark und hart im Innern, wie aus Stein. Wenn ich am Sonntag auf seinem Rücken durch die entlegensten Gässchen des Dorfes reite, betrachten die Landleute, festtäglich gekleidet und behäbig, ihn eine Weile.
„Er ist aus Stahl ...” Ja, er ist wie Stahl, Stahl und Mondsilber zugleich.


ANGELUS

Schau, Platero, wie viele Rosen überall herabfallen:
Blaue Rosen, weiße Rosen, Rosen ohne Farbe.
Man könnte meinen, der Himmel löst sich in Rosen auf. Schau, wie mir die Rosen Stirn, Schultern und Hände bedecken. Was soll ich mit so vielen Rosen anfangen? Weißt Du vielleicht, woher diese weiche Blütenpracht kommt, denn ich weiß nicht, woher sie stammt. Jeden Tag verwandelt sie das Land zart mit süßem Rosa, Weiß und Himmelblau, mehr, immer mehr Rosen, wie ein Bild von Fra Angelico, der, kniend, die himmlische Herrlichkeit malte.
Aus den sieben Himmeln der Glückseligkeit werden - so könnte man glauben -, Rosen auf die Erde gestreut.
Die Rosen bleiben auf dem Turm, dem Dach, auf den Bäumen liegen, wie ein warmer, blassfarbener Schneefall. Schau: Alles Harte wird zart mit ihrem Schmuck.
Mehr Rosen, mehr Rosen, immer mehr Rosen ...
Platero, es scheint, während die Angelusglocke erklingt, dass unser Leben seine gewohnte Kraft verliert und eine andere Kraft aus dem Innern - hochherziger, beständiger und reiner -, bewirkt, dass alles, wie aus Springquellen der Gnade gespeist, zu den Sternen aufsteigt, die schon zwischen den Rosen aufscheinen.
Rosen, immer mehr Rosen ...
Deine Augen, Platero, die du nicht sehen kannst, und die du ergeben zum Himmel hebst, sind zwei schöne Rosen.


RÜCKKEHR

Wir beide kamen beladen von den Bergen. Platero mit Majoran, ich mit gelben Lilien. Die Dämmerung eines Apriltages fiel herein, alles, was im Westen gewesen war, war jetzt goldene Klarheit, eine Allegorie, klar und leuchtend, von Lilien aus Kristall. Dann wurde der weite Himmel wie ein durchscheinender Saphir, sich wandelnd in Smaragd. Ich kehrte traurig heim ...
Von der Anhöhe aus nahm der Turm des Dorfes, bedeckt von schimmernden Kacheln, mit der reinen Klarheit der Stunde, ein stattliches Aussehen an. Er erschien aus der Nähe wie die Giralda aus der Ferne und meine Sehnsucht nach den Städten, heftig im Frühling, fand in ihm einen schwermütigen Trost.
Rückkehr •.• wohin? von was? wozu?
Rückkehr ••. wohin? von was? wozu? Aber die Lilien, die ich mit mir trug, dufteten stärker in der lauen Frische der anbrechenden Nacht, sie dufteten mit einem kräftigeren Geruch und zugleich mit einem unbestimmteren Geruch, der von der Blume ausging, ohne dass man die Blume sah, eine Blume ganz aus Duft, der den Körper und die Seele trunken machte in der einsamen Dunkelheit.
O meine Seele, Lilie in der Dunkelheit - sagte ich. Und ich dachte plötzlich an Platero, den ich, obwohl ich auf ihm ritt, ganz vergessen hatte, als wäre er ein Teil meines Körpers.


FRÜHLING

In meinem morgendlichen Halbschlaf macht mir ein teuflisches Geschrei von kleinen Jungen schlechte Laune.
Ich kann nicht weiterschlafen und springe schließlich verzweifelt aus dem Bett.
Dann, beim Blick durch das offene Fenster aufs Land, wird mir klar, dass es die Vögel sind, die den Lärm veranstalten. Ich gehe hinaus in den Garten und singe Dank dem Gott des blauen Tages.
Unbändiges Schnabelkonzert, munter und ohne Ende!
Die Schwalbe zwitschert launisch im Brunnen; die Amsel pfeift auf der Orange am Boden; der feurig-goldene Pirol plaudert von Eichbaum zu Eichbaum; der Girlitz kichert lang und eingehend im Wipfel des Eukalyptus; und in der großen Pinie streiten sich rabiat die Spatzen.
Was für ein Morgen!
Die Sonne breitet auf der Erde in Silber und Gold ihre Freude aus.
Schmetterlinge in hundert Farben tanzen überall, zwischen den Blumen, im Haus - mal drinnen, mal draußen -, über der Quelle.
überall öffnet sich die Erde krachend und knackend, brodelnd mit neuem, gesundem Leben.
Es scheint, als ob wir im Inneren einer großen, lichterfüllten Honigwabe wären, die das Herz einer unendlichen, heiß erglühten Rose bildet.


DER BRUNNEN

Der Brunnen! Der Brunnen! ... Platero, was für ein tiefes Wort, so grün und schwarz, so kühl, so voller Klang!
Es ist, als ob das Wort selbst kreisend die dunkle Erde durchbohrt, bis zu dem kühlen Wasser hinab.
Schau: Der Feigenbaum schmückt und durchbricht den Brunnenrand. Drinnen, man kann sie mit der Hand erreichen, ist eine blaue Blume mit kräftigem Geruch zwischen den moosbedeckten Steinen aufgeblüht. Eine Schwalbe hat weiter unten ihr Nest. Dann, nach einer Säulenhalle unbewegten Schattens, ein Palast aus Smaragden und ein See, der böse wird und knurrt, wenn man einen Stein in seine Ruhe wirft.
Und schließlich der Himmel. (Die Nacht bricht an, und der Mond erglüht in der Tiefe, geschmückt mit leicht bewegten Sternen. Stille! Auf den Wegen hat sich das Leben in der Ferne verloren. Die Seele entflieht durch den Brunnen in die Tiefe. Man sieht durch ihn gleichsam die andere Seite der Dämmerung. Und es scheint, als ob aus seiner öffnung der Riese der Nacht heraufsteigen wollte, Herr aller Geheimnisse dieser Welt. Oh stilles Labyrinth voller Zauber, dunkler und duftender Ort, unwiderstehlicher, verwunschener Festsaal!)
Platero, wenn ich mich irgendwann einmal in diesen Brunnen werfe, dann nicht, um mich zu töten, glaube mir, sondern um rascher die Sterne zu greifen.
- Platero schreit, durstig und sehnsüchtig.
Aus dem Brunnen steigt, unruhig und aufgeschreckt, geräuschlos eine Schwalbe.


SPATZEN

Der Morgen von Santiago ist bewölkt mit weiß und grau, wie in Watte verpackt. Alle sind sie zur Messe gegangen. Wir sind im Garten geblieben, die Spatzen, Platero und ich. Die Spatzen! Unter den dicken Wolken, aus denen ab und zu einige feine Tropfen regnen - wie sie hinein- und hinausfliegen aus der Kletterwinde, wie sie schreien, wie sie sich zanken. Dieser setzt sich eilig auf einen Zweig, fliegt davon und lässt ihn schwankend zurück; der andere trinkt ein wenig Himmel aus einer kleinen Pfütze auf dem Brunnenrand; dieser dort ist über das Wetterdach des Schuppens hinweggehüpft, der vollgestopft mit beinahe trockenen Blumen ist, die der trübe Tag umso leuchtender erscheinen lässt.
Glückselige Vögel, ohne festen Feiertag! Mit der freien Einförmigkeit des Natürlichen sagen ihnen die Glocken nichts, es sei denn, eine unbestimmte Glückseligkeit. Ohne unselige Pflichten, ohne diese Himmel noch diese Höllen, die die armen Menschen plagen, verzücken oder verängstigen, ohne jede Moral außer der eigenen, mit keinem anderen Gott als dem Himmelsblau, sie sind meine Brüder, meine geliebten Brüder. Sie reisen ohne Geld und ohne Gepäck, sie ziehen aus ihrem Haus, wenn es ihnen gerade gefällt, sie erahnen einen Bach, wissen, wo ein Wald zu finden ist, und sie brauchen nur ihre Flügel zu öffnen, um das Glück zu gewinnen. Sie wissen nichts von Montagen noch von Sonnabenden, sie baden überall, zu jeder Zeit, sie lieben die Liebe ohne Namen, die allumfassende Geliebte. Und wenn die Leute, die armen Leute am Sonntag zur Kirche gehen und die Türen verschließen, kommen sie als munteres Beispiel einer Liebe ohne Zwang unversehens mit ihrem frechen und lustigen Gezeter zu den Gärten der verschlossenen Häuser, in denen irgendein Dichter, den sie schon gut kennen, und irgendein kleiner, zärtlicher Esel - darf ich unsere Namen gemeinsam nennen, Platero? - sie wie Brüder betrachten.


MELANCHOLIE

Heute Nachmittag bin ich mit den Kindern zu Plateros Grab gegangen, das in dem Obstgarten von La P?na liegt, am Fuß der runden, väterlichen Pinie. Der April hatte ringsum die feuchte Erde mit großen, gelben Lilien geschmückt.
Es sangen die Girlitze dort oben im grünen Wipfel - durchtränkt vom blauen Zenit -, und ihr feines Girren, üppig und lachend, stieg auf in die goldene Luft des lauen Nachmittags wie der klare Traum einer neuen Liebe.
Die Kinder, sobald sie ankamen, hörten auf zu lärmen. Still und ernst stellten mir ihre glänzenden Augen viele beklommene Fragen.
„Freund Platero!” - sagte ich zur Erde, „wenn du, wie ich denke, jetzt auf einer Himmelswiese bist und auf deinem haarigen Rücken die Engelskinder trägst, hast du mich vielleicht vergessen? Platero, sag mir: Erinnerst du dich noch an mich?” Und, wie eine Antwort auf meine Frage, flog ein zarter, weißer Schmetterling, den ich vorher nicht gesehen hatte, wie eine Seele von Lilie zu Lilie.


FREUNDSCHAFT

Wir verstehen uns gut. Ich lasse ihn gehen wie es ihm gefällt und er trägt mich immer, wohin ich will.
Wenn wir zur Kronenpinie kommen, weiß Platero, dass ich es liebe, mich ihrem Stamm zu nähern, ihn zu streicheln und durch seinen mächtigen und lichten Wipfel zum Himmel zu schauen; er weiß, dass mich der schmale Pfad im Gras, der zu der Alten Quelle führt, erfreut; dass es für mich ein Fest ist, vom Pinienhügel aus, der mit seinem Wäldchen an klassische Landschaften gemahnt, auf den Fluss zu schauen.
Wenn ich einnicke, sorglos auf seinem Rücken, so erwache ich immer inmitten dieser lieblichen Bilder.
Ich behandle Platero als wär er ein Kind. Wird der Weg holprig und beschwerlich für ihn, steig ich ab, um es ihm leichter zu machen.
Ich küsse ihn, ich necke ihn, ich mache ihn wütend. Er trägt es mir nicht nach, denn er versteht wohl, dass ich ihn liebe. Er ist mir so gleich, so verschieden von den anderen, dass ich nunmehr glaube, er träumt meine eigenen Träume.


DER MOND

Platero hat soeben zwei Eimer Wasser getrunken, voller Sterne, aus dem Brunnen im Hof und kam zum Stall zurück, langsam und zerstreut, durch die hohen Sonnenblumen hindurch. Ich erwarte ihn in der Tür, auf der weißen Schwelle hingelagert, eingehüllt in den lauen Duft der Heliotropen. Jenseits des Wetterdachs, feucht vorn Septembertau, schlief das weite Land, das einen kräftigen Duft von Pinien herüberschickte.
Eine große schwarze Wolke, wie ein riesenhaftes Huhn, das ein goldenes Ei gelegt hat, legte den Mond auf einen Hügel. Ich sagte zum Mond:
Ma sola ha guesta luna in ciel, che
da nessuno cader fu vista mai se non
in sogno.1
Platero schaute in unverwandt an und schüttelte mit einem festen und sanften Geräusch ein Ohr.
Dann schaute er mich an, versunken, und schüttelte das andere Ohr.
1 Aber nur diesen einen Mond gibt es am Himmel, den noch niemand je herunterfallen sah - wenn nicht im Traum.


SPIELE IN DER DÄMMERUNG

Wenn wir, Platero und ich, in der Abenddämmerung des Dorfes, erstarrt vor Kälte, durch die maulbeerfarbene Dunkelheit des armseligen Gässchens, das zum ausgetrockneten Fluss führt, zurückkehren, spielen die Kinder der armen Leute gegenseitiges Erschrecken, indem sie Bettler spielen.
Eins zieht sich einen Sack über den Kopf, das andere sagt, es sei blind, wieder ein anderes spielt den Lahmen. Dann, mit diesem raschen Umschwenken der Kinder, halten sie sich, da sie immerhin Schuhe und Kleider tragen, und da ihre Mütter, sie werden schon wissen wie, ihnen etwas zu essen gegeben haben, für Prinzen: Mein Vater hat eine silberne Uhr. - Und meiner ein Pferd - Und meiner ein Gewehr. Eine Uhr, die ihn in der Morgenfrühe weckt, ein Gewehr, das nicht den Hunger töten wird, ein Pferd, das ins Elend trägt. Dann tanzen sie im Reigen. In der Dunkelheit der Nacht singt ein fremdländisches Mädchen, Nichte des Grünen Vogels, mit leiser Stimme, ein Faden aus flüssigem Kristall in der Dunkelheit wie eine Prinzessin:
Ich bin die junge Witwe des Grafen von Oré.
Ja, ja! Singt, träumt, arme Kinder! Bald, in der Morgenröte eurer Jugend, wird euch der Frühling erschrecken, wie ein Bettler in der Maske des Winters - gehen wir, Platero ...


RONSARD

Platero ist schon vom Halfter befreit und grast zwischen den sittsamen Margeriten der kleinen Wiese, während ich mich unter einer Pinie niedergelegt habe. Aus meiner maurischen Satteltasche habe ich ein Büchlein genommen und an einer markierten Stelle aufgeschlagen. Laut fing ich zu lesen an:
Comme on voit sur la branche
au mois de mai la rose en sa
belle jeunesse, en sa première
fleur, - rendre le ciel jaloux de ...1
Oben, in den obersten Zweigen, hüpft und piepst ein kleines Vögelchen, das die Sonne - wie die seufzende, grüne Krone - ganz in Gold taucht. Man hört Flügelschlagen und Gezwitscher und dazwischen das Aufbrechen der Samenkörner, die der Vogel verspeist.
jaloux de sa vive couleur2
Ein riesiges, warmes Ding kommt plötzlich wie ein lebender Schiffsbug vor auf meine Schulter.
Es ist Platero, der ohne jeden Zweifel von der Lyra des Orpheus angeregt, herbeikommt, um mit mir zu lesen.
Wir lesen:
De sa vive couleur, Quand l'aube
de ses pleurs au poinct du jour l'a ...3
Aber das Vögelchen, das wohl eine flotte Verdauung hat, deckt das Wort mit einer falschen Note zu.
Ronsard hätte für einen Augenblick sein Sonett „Quand en songeant ma follâtre j'acolle ...”4 vergessen und wohl gelacht in der Hölle.

1 Wie man im Monat Mai die Rose auf ihrem Zweig in ihrer schönen Jugend sieht, in ihrer ersten Blüte, - den Himmel macht sie eifersüchtig auf ...
2 ... eifersüchtig auf ihre frische Farbe
3 auf ihre frische Farbe, wenn die Morgendämmerung ...
4 Wenn ich in Gedanken mein übermütiges Mädchen umarme ...

DER VERRÜCKTE

In Trauer gekleidet, mit meinem Christusbart und dem flachen, schwarzen Hut, muss ich wohl ein sonderbares Aussehen haben, wie ich so in der grauen Sanftmut von Platero dahinreite. Wenn ich, auf dem Weg zu den Weinbergen, die letzten Straßen, weiß von Kalk in der Sonne, durchreite, laufen die kleinen Zigeunerjungen mit fettglänzenden und langen Haaren, in grünen, roten und gelben Lumpen, die die prallen, braunen Bäuche zeigen, hinter uns her, und sie schreien lauthals:
- der Verrückte! Der Verrückte! Der Verrückte!
Vor uns liegt das Land in erstem Grün angesichts des unendlichen und reinen Himmels von glühendem Indigoblau öffnen sich meine Auge - so weit entfernt von allem Hören! - Still zufrieden und empfangen in ihrer Ruhe diese namenlose Gelassenheit, diese friedliche und göttliche Heiterkeit, die in der Unendlichkeit des Horizontes lebt ... Und es dauern fort, dort in der Ferne, über den Feldern, einige laute Schreie, zart verschleiert, stoßweise und schwach;
- der Verrückte! Der Verrückte!


DAS SCHWINDSÜCHTIGE MÄDCHEN

Sie saß aufrecht auf einem armseligen Stuhl, das Gesicht blass und matt wie eine zerknitterte Narde in der Mitte des kalten, weißgetünchten Zimmers. Der Arzt hatte ihr aufgetragen, hinaus auf die Felder zu gehen, damit die Sonne dieses frostigen Mai sie bescheine; aber die Arme konnte nicht. - Wenn ich bei der Brücke anlange - gerad dort drüben ist sie! ersticke ich ...
Die kindliche Stimme, zart und zerbrechlich wurde schwächer wie manchmal der Wind im Sommer schwächer wird. Ich bot ihr Platero an für einen kleinen Spazierritt. Einmal aufgesessen, was für ein Lachen aus ihrem mageren Totengesicht, ganz aus schwarzen Augen und weißen Zähnen!
Die Frauen, um uns vorbeiziehen zu sehen, erschienen in den Türen. Platero ging langsam, als wenn er gewusst hätte, dass er eine zerbrechliche Lilie aus feinem Kristall auf dem Rücken trug. Das Mädchen mit seinem weißen Kleid der Jungfrau von Monte Mayor, von einer roten Kordel gehalten, verklärt vom Fieber und von der Hoffnung, erschien wie ein Engel, der durch das Dorf zog auf seinem Weg zum Himmel des Südens.

SEHNSUCHT

Platero, du siehst uns, nicht wahr? Nicht wahr, du siehst, wie es friedlich und lustig lacht, das klare, kalte Wasser im Ziehbrunnen des Obstgartens; wie die arbeitsamen Bienen im letzten Tageslicht den grünen und malvenfarbenen Rosmarinstrauch umsurren, rosa und golden von der Sonne, die immer noch den Hügel in Feuer taucht?
Platero, du siehst uns, nicht wahr? Platero, du siehst uns, nicht wahr? Nicht wahr, du siehst die kleinen Eselchen der Wäscherinnen, wie sie über die rote Anhöhe zur alten Quelle gehen, müde und lahm, verloren in der unermesslichen Reinheit, die Erde und Himmel in einem einzigen, glänzenden Kristall vereint?
Platero, du siehst uns, nicht wahr? Platero, du siehst uns, nicht wahr? Nicht wahr, du siehst die Kinder, wie sie ungestüm zwischen den Zistrosensträuchern herumlaufen, auf deren Zweigen sich ihre eigenen Blüten niedergelassen haben wie ein leichter Schwarm von gaukelnden, weißen, rotgesprenkelten Schmetterlingen.
Platero, du siehst uns, nicht wahr? Platero, nicht wahr, du siehst uns doch? Ja, du siehst mich. Und ich glaube zu hören ja, ja, ich höre im wolkenlosen Sonnenuntergang, sanft durch das Tal und die Weinberge ziehend dein zärtliches, klagendes iah.


WEISSE SCHMETTERLINGE

Die Nacht bricht herein, nebelig schon und maulbeerfarben.
Ein unbestimmtes Leuchten, malvenfarben und grün, bleibt hinter dem Turm der Kirche bestehen. Der Weg steigt an, voller Schatten, Glockenblumen und Duft nach Gras, voll von Liedern, Mattigkeit und Sehnsucht.
Plötzlich kommt ein dunkler Mann mit einer Mütze und einem Stecken, das hässliche Gesicht einen Augenblick rot vom Licht der Zigarre, aus einem elenden Häuschen, das ganz verloren ist zwischen Säcken von Kohle, zu uns herunter. Platero wird ängstlich - etwas dabei? - Sehen Sie selbst ... Weiße Schmetterlinge ... Der Mann will seinen Stecken aus Eisen in den kleinen Strohkorb stoßen, und ich hindere ihn nicht. Ich öffne die Satteltasche, und er sieht nichts darin. Und die Nahrung für die Seele, unschuldig und frei, passiert den Zoll ohne ihren Tribut zu zahlen.

IDYLLE IM APRIL

Die Kinder sind mit Platero zu dem Bach mit den Pappeln gegangen, und jetzt bringen sie trottend zurück, ganz beladen mit gelben Blumen, mit Spielen ohne Sinn und unter unbändigem Gelächter.
Dort unten hat sie die ziehende Wolke beregnet, die die grüne Wiese mit ihren Fäden aus Gold und Silber verschleiert hat, in denen der Regenbogen, wie eine Lyra aus Tränen, zitterte.
Und auf dem durchtränkten Fell des kleinen Esels tropfen die nassen Glockenblumen noch immer. Welch' frische Idylle, heiter und voller Gefühl! Selbst Plateros Iah klingt zärtlich unter der lieblich verregneten Last! Ab und zu wendet er den Kopf und reißt die Blumen ab, die sein großes Maul erreichen kann. Die schneeweißen und goldgelben Glockenblumen hängen ihm für einen Augenblick zwischen dem grünlichweißen Speichel und verschwinden dann in seinem riesigen Bauch, über den sich die Sattelgurte spannen. Wer könnte wie du, Platero, Blumen fressen ... ohne dass sie ihm schaden! Launischer Aprilabend! - Die glänzenden und lebhaften Augen von Platero zeichnen die Stunde von Regen und Sonne nach, in deren Untergang, über dem Feld von San Juan, man eine andere rosa Wolke leicht regnen sieht.

DER KANARIENVOGEL FLIEGT

Eines Tages, ich weiß nicht wie noch warum, entflog der grüne Kanarienvogel aus seinem Käfig. Es war ein alter Kanarienvogel, trauriges Erbstück einer toten Frau, dem ich nicht die Freiheit gegeben hatte aus Furcht, er könnte verhungern oder erfrieren, oder dass ihn die Katzen fressen. Den ganzen Morgen flatterte er zwischen den Granatbäumen des Obstgartens hin und her, durch die Pinie beim Tor, durch den Fliederbusch. Die Kinder saßen, ebenfalls den ganzen Morgen, auf der Veranda, verzaubert von den kurzen Flügen des gelblichen Vögelchens. Frei und alleingelassen spielte Platero bei den Rosensträuchern mit einem Schmetterling.
Am Abend flog der Kanarienvogel zum Ziegeldach des großen Hauses, und dort blieb er eine lange Weile, flatternd in der warmen, untergehenden Sonne. Plötzlich, ohne dass jemand wüsste, wie noch warum, war er in seinem Käfig, wieder ganz munter. Welcher Jubel im Garten! Die Kinder hüpften umher, klatschten in die Hände, lachend wie die Morgenröte; Diana folgte ihnen ausgelassen und bellte ihr eigenes, klingendes Glöckchen an; Platero, von der Freude angesteckt, in einer Woge von Fell aus Silber, machte Sprünge wie ein Zicklein, kreiste auf seinen Beinen herum, in einem täppischen Walzer, dann stellte er sich auf die Vorderbeine und schlug hinten aus in die klare, warme Luft ...

SCHLAFLIED

Die kleine Tochter des Köhlers, hübsch und schmutzig wie eine Münze, mit blanken schwarzen Augen und blutrotvollen Lippen, die schwärzlich zu platzen scheinen unter dem Ruß, sitzt an der Tür ihrer Hütte auf einem Dachziegel und wiegt ihr Brüderchen in Schlaf. Die Luft ist erfüllt mit Maienzeit, heiß und hell wie das Innere einer Sonne. In dem leuchtenden Frieden ist das Sieden des Topfes zu hören, der auf freiem Feuer kocht, das Wiehern der Pferde auf der Koppel, das Lachen des Seewindes im dicken Gestrüpp der Eukalyptussträucher.
Schlaf, mein Kleines, schlaf
der guten Schäferin zuliebe
Pause. Der Wind in den Wipfeln.
... und weil mein Kleines einschläft,
wird auch das Lied verwehen.
Der Wind ... Platero, der sanft und friedfertig durch die ausgedorrten Pinien streicht, kommt allmählich näher ... dann legt er sich auf die dunkelbraune Erde und, bei dem einförmigen Lied der Sängerin, schläft er ein, ganz wie ein Kind.

DER KANARIENVOGEL STIRBT

Schau, Platero; der Kanarienvogel der Kinder lag heute Morgen tot in seinem Silberkäfig. Es ist wahr, der Arme war sehr alt ...
Den letzten Winter, Du erinnerst Dich wohl, verbrachte er stumm, den Kopf in seinen Flaumenfedern verborgen. Und zu Beginn dieses Frühlings, als die Sonne die offene Stube zu einem Garten machte und die schönsten Rosen im Innenhof blühten, wollte auch er das neue Leben ausschmücken und sang, aber seine Stimme war zerbrechlich und asthmatisch wie die Stimme einer zerbrochenen Flöte.
Das älteste von den Kindern, das ihn stets pflegte, sagte, da es ihn erstarrt auf dem Boden des Käfigs liegen sah, schluchzend: „Aber es hat ihm doch nichts gefehlt, kein Futter und kein Wasser!” Nein, es hat ihm nichts gefehlt, Platero. Er ist gestorben, einfach so - würde Camcoamor, sagen, ein anderer alter Kanarienvogel ...
Platero, gibt es vielleicht ein Paradies für Vögel? Platero, gibt es wohl einen grünen Blumengarten über dem blauen Himmel, voll mit blühenden Rosensträuchern, mit weißen, rosafarbenen, himmelblauen, gelben Vogelseelen? Hör'; heute Nacht werden die Kinder, du und ich; den toten Vogel in den Garten hinuntertragen. Es ist jetzt Vollmond, und in seinem blassen Silber wird der arme Sänger, in der weißen Hand von Blanca, erscheinen wie das verwelkte Blütenblatt einer gelblichen Lilie. Und wir wollen ihn in der Erde des großen Rosenstrauchs begraben. Im Frühling, Platero, werden wir ganz sicher den Vogel aus dem Herzen einer weißen Rose hervorfliegen sehen. Die duftende Luft wird voller Wohlklang sein, und wir werden in der Aprilsonne ein verzaubertes Umherschweifen von unsichtbaren Flügeln und eine verborgene Spur von klarem Trillern aus reinem Gold hören.


NOVEMBER

Wenn in der Abenddämmerung Platero vom Feld zurückkehrt mit seiner leichten Last von Pinienzweigen - sie sind für den Ofen bestimmt - verschwindet er beinah unter dem ausladenden Grün.
Sein Schritt ist klein und verhalten wie der des Zirkusmädchens auf dem Drahtseil, zierlich und spielerisch ...
Er scheint nicht zu gehen. Die Ohren gespitzt - man möchte meinen, eine Schnecke unter ihrem Haus.
Die grünen Zweige, als sie noch am Baume waren, hatten in sich die Sonne, die Girlitze, den Wind, den Mond, die Raben. Wie schrecklich, Platero, sie haben dort gesessen! Die grünen Zweige fallen, arme Dinger, auf den weißen Staub der trockenen Wege im Dämmerlicht.
Eine kühle, malvenfarbige Weichheit umhüllt alles. Und auf dem Feld, das schon auf den Dezember zugeht, beginnt die sanfte Demut des beladenen Esels, wie im vorigen Jahr, uns überirdisch zu erscheinen.


DER TOD

Ich fand Platero liegend auf seinem Lager aus Stroh, die Augen sanft und traurig. Ich ging zu ihm, streichelte ihn und sprach zu ihm, ich wollte, dass er aufsteht ... Der Arme zuckte heftig und ließ seinen Vorderhuf einknicken ... Er konnte nicht ... Also streckte ich ihm sein Bein auf den Boden hin, streichelte ihn abermals zärtlich und schickte nach seinem Doktor. Der alte Darbon, sobald er ihn sah, ließ seinen riesigen zahnlosen Mund bis zum Hals einsinken und wiegte seinen blutroten Kopf auf der Brust wie ein Pendel.
Nichts Gutes, wie? Ich weiß nicht, was er antwortete ... Dass der Unglückliche ... Nichts ... Dass ein Schmerz ... Irgendeine ungenießbare Wurzel ... Die Erde zwischen den Gräsern ... Am Mittag war Platero tot. Sein Bäuchlein wie aus Watte war ihm aufgeschwollen wie die Erdkugel, und seine steifen grauen Beine streckten sich gen Himmel. Sein Lockenfell sah aus wie der von Motten zerfressene Balg alter Puppen, der, fährt man mit der Hand darüber, in Trauer und Staub zerfällt.
Durch den Stall flog leise ein schöner, dreifarbiger Schmetterling, der jedes Mal, wenn er durch den Sonnenstrahl aus dem kleinen Fenster flog, aufglühte.


GENESUNG

Ich liege genesend im schwachen, gelben Licht meines Krankenzimmers, weich von Teppichen und Wandbehängen, und ich höre durch die nächtliche Straße, wie in einem Traum, mit kühlen Sternen voller Tau, leichtfüßige Esel, die vom Feld zurückkehren, Kinder, die spielen und schreien. Ich erahne große, dunkle Köpfe von Eseln und zarte Köpfchen von Kindern, die unter dem Iah-Geschrei Weihnachtslieder singen mit Stimmen aus Kristall und Silber. Das Dorf ist eingehüllt in eine Wolke von gerösteten Kastanien, im Dunst der Ställe, in einem Geruch von friedvollen Häusern .
Und meine Seele verströmt und läutert sich, als ob ein Strom himmlischer Wasser aus dem dunklen Fels des Herzens sprudelte. Nacht der Erlösungen! Tiefe Stunde, kühl und warm zugleich, voll unendlicher Helle. Die Glocken dort oben, dort draußen, läuten heftig zwischen den Sternen. Angesteckt schreit Platero iah in seinem Stall, der in dieser Stunde nahen Himmels weit entfernt zu sein scheint ...


DIE SCHWALBEN

Dort ist sie, Platero, schwarz und munter in ihrem grauen Nest, das niemals angerührt wird, am Bild der Mutter Gottes von Monte Mayor. Die Unglückliche ist ganz aufgeregt.
Es scheint, als hätten sich die armen Schwalben dieses Mal geirrt wie in der vergangenen Woche die Hühner sich irrten, als sie sich in ihren Schlupfwinkel zurückzogen, weil sich die Sonne um zwei Uhr verfinsterte.
Der Frühling war so leichtsinnig, dieses Jahr früher aufzustehen, aber er musste seine weiche Nacktheit, vor Kälte zitternd, wieder in dem wolkigen Bett des Monats März verbergen.
Es tut weh, die jungfräulichen Rosen im Orangenhain in der Knospe verwelken zu sehen.
Sie sind schon da, Platero, die Schwalben, und doch hört man sie kaum so wie in den anderen Jahren, als sie am ersten Tag ihrer Ankunft alles begrüßten und neugierig untersuchten und dabei unaufhörlich schwatzten und zwitscherten. Sie erzählten den Blumen, was sie alles in Afrika gesehen hatten, von ihren zwei Reisen über das Meer, wie sie auf dem Wasser lagen, mit einem Flügel als Segel oder auf dem Tauwerk der Schiffe; von anderen Sonnenuntergängen, von anderen Morgenröten, von anderen Nächten, von anderen Sternen.
Sie wissen nicht, was sie tun sollen. Sie fliegen stumm, verwirrt umher wie die Ameisen umherkriechen, wenn ein Kind ihnen den Weg zertritt. Sie wagen nicht, die Neue Straße hinauf- und hinabzufliegen, in beständiger, gerader Linie mit der kleinen Verzierung am Schluss noch ihre Nester in dem Brunnen aufzusuchen oder sich auf die Telegrafendrähte zu setzen, die der Nordwind zum Summen bringt.
Sie werden erfrieren, Platero!


DIE BLUME AM WEGESRAND

Wie rein, Platero, und wie schön ist diese Blume am Wegesrand!
All das wirre Durcheinander zieht an ihr vorbei - die Stiere, die Ziegen, das Fohlen, die Menschen -, und sie, so schwach und so zart, bleibt emporgerichtet, malvenfarbig und schlank, an ihrem sicheren Ort in unberührter Reinheit.
Jeden Tag, wenn wir am Fuße des Abhangs den Seitenweg einschlagen, hast du sie an ihrem grünen Ort gesehen.
Mal ist ein kleiner Vogel bei ihr, der - warum nur? - bei unserem Näherkommen davonfliegt; oder sie ist wie ein kleiner Becher mit dem klaren Wasser einer Sommerwolke gefüllt; mal gestattet sie die Räuberei einer Biene oder den flatterhaften Schmuck eines Schmetterlings.
Diese Blume, Platero, wird nur wenige Tage leben, obwohl die Erinnerung an sie ewig sein mag.
Ihr Leben wird wie ein Tag deines Frühlings sein, wie ein Frühling meines Lebens ...
Was würde ich nicht alles dem Herbst geben, Platero, für diese göttliche Blume, damit sie Tag für Tag das einfache und zeitlose Sinnbild unseres Lebens wäre.


SONNTAG

Das laute Lärmen der Glocke, bald nah, bald fern, hallt wider am Himmel des Festtagsmorgens, als ob das ganze Blau aus Kristall wäre. Und die Felder, schon ein wenig bräunlich, scheinen sich zu vergolden mit den Noten, die aus dem fröhlichen, blühenden Aufruhr herausfallen.
Alle, sogar die Feldhüter, sind ins Dorf gegangen, um die Prozession zu sehen. Wir sind allein zurückgeblieben, Platero und ich! Was für ein Friede! Welche Reinheit! Welch Wohlbehagen!
Ich lasse Platero frei auf der oberen Wiese und lege mich unter eine Pinie, bevölkert von Vögeln, die nicht davonfliegen, um zu lesen. 'Omar Chayyâm ... In der Stille zwischen zwei Geläuten wird der innere Aufruhr des Septembermorgens Gegenwart und Klang. Die schwarz-goldenen Wespen umschwirren die mit prallen Muskatellertrauben beladene Weinranke, und die Schmetterlinge, die mit den Blumen verschwimmen, scheinen in ihrem GaukeIflug neues Leben zu gewinnen, in einer Metamorphose heller Farben.
Die Einsamkeit ist wie ein großer Gedanke aus Licht.
Ab und zu hört Platero auf zu grasen und schaut mich an ... Ab und zu höre ich auf zu lesen und schaue Platero an ...


DIE ZIGEUNER

Schau sie an, Platero!
Dort kommt sie die Straße herunter, im kupfernen Sonnenschein, geradewegs, mit aufrechtem Gang, leicht bekleidet, ohne irgendjemand anzusehen. Wie gut trägt sie ihre vergangene Schönheit, immer noch stattlich, wie um eine Eiche das gelbe Tuch um ihre Taille geschlungen und den blauen Rock mit Rüschen.
Sie geht zum Rathaus Erlaubnis einzuholen, um, wie immer, das Lager hinter dem Friedhof aufzuschlagen.
Du erinnerst dich doch an die elenden Zelte der Zigeuner, mit ihren Lagerfeuern, ihren herrlich-bunten Frauen und ihren ausgemergelten Eseln, am Rande des Todes, die ringsherum streunen.
Die Esel, Platero!
Sie zittern wohl schon, die Esel von Friseta, wenn sie in ihren niedrigen Gehegen die Zigeuner hören!
Wegen Platero habe ich keine Sorge; denn um zu seinem Stall zu gelangen, müssten die Zigeuner über das halbe Dorf herüberspringen, und außerdem liebt Rengel, der Feldhüter, mich und ihn.
Um ihn aber zum Scherz zu erschrecken, sage ich ihm mit hohler und düsterer Stimme: - Hinein, Platero, hinein! Ich will die Gittertür schließen, sonst holen sie dich!
Platero weiß genau, dass die Zigeuner ihn nicht holen werden, und trottet durch die Gittertür, die hinter ihm mit einem lauten Klirren von Eisen und Glas zufällt.
Er springt und hüpft vom Marmorhof zum Blumengarten und von dort zum Gehege wie ein Pfeil und zerreißt - du Rohling! in seinem kurzen Galopp die blaue Kletterwinde.


KARNEVAL

Wie schön ist Platero heute! es ist Karnevalmontag und die Kinder haben sich prächtig als Torero, Bajazzo und flotter Bursche verkleidet. Ihm haben sie das maurische Zaumzeug angelegt, ganz bestickt in rot, grün, weiß und gelb, mit überreichen Arabesken.
Wasser, Sonne und Kälte. Die runden Papierfetzen wehen den Gehsteig entlang im scharfen Nachmittagswind, und die Maskenträger, vor Kälte erstarrt, machen aus jeder Falte ihres Gewandes eine Tasche für ihre blauen Hände.
Als wir zum Marktplatz kamen, haben einige Frauen, als Wahnsinnige verkleidet, in langen, weißen Hemden, die schwarzen, offenen Haare mit Kränzen aus grünen Blättern geschmückt, Platero mitten in ihren wilden Reigentanz genommen und sind, sich an den Händen haltend, fröhlich um ihn herumgetanzt. Platero, verschreckt, spitzt die Ohren, hebt den Kopf und versucht aufgeregt, wie ein vorn Feuer umkreister Skorpion, zu entfliehen, wo es nur geht. Aber weil er so klein ist, fürchten die Wahnsinnigen ihn nicht und tanzen weiter ihre Kreise lachend um ihn herum. Die Kinder, da sie ihn gefangen sehn, schreien iah, damit er ihnen antwortet. Der ganze Platz ist schon ein jubelndes Blechkonzert aus iah und Gelächter, aus Tanzliedern und Tamburinen.
Schließlich durchbricht Platero, entschlossen wie ein Mann, den Kreis und kommt traurig zu mir getrottet, mit verrutschtem Edelzaumzeug. Ebenso wie ich möchte er nichts mit dem Karneval zu tun haben. Für diese Dinge taugen wir nicht ...


AN PLATERO IM HIMMEL VON MOGUER

Mein sanftes, trabendes Eselchen, das du so oft meine Seele - nur meine Seele - durch die tiefen Wege der Feigenkakteen, Malven und Heckenkirschen getragen hast, für dich ist dieses Buch, das von dir berichtet, jetzt, da du es verstehen kannst.
Es spricht zu deiner Seele, die nun im Paradies weidet, zusammen mit der Seele unserer Landschaft von Moguer, die mit der deinigen auch in den Himmel aufgestiegen sein muss.
Es trägt auf seinem Rücken aus Papier rittlings meine Seele, die, zwischen blühenden Brombeersträuchern gen Himmel wandernd, immer besser, friedlicher und reiner wird.
Ja, ich weiß, wenn der Tag sich neigt, und ich zwischen Pirolen und den Orangenblüten langsam und gedankenvoll durch den einsamen Orangenhain zu der Pinie kommt, die deinen Tod zärtlich bewacht, - dann wirst du mich, Platero, glücklich auf deiner Wiese ewiger Rosen, sehen, wie ich verweile vor den gelben Lilien, die dein verwestes Herz hervorgebracht hat.